Vortrag
Der Zyklus der Revolten und Aufstände der späten 1960er Jahre war von dem Paradox geprägt, in den Terminologien des Marxismus für intersektionale und minoritäre Befreiungs- und Transformationsszenarien einzutreten, die über den Horizont des Marxismus hinausführten. Vor allem Wert-, Klassen- und Zeitbegriffe erfuhren tiefgreifende Überarbeitungen, die Differenz, Kontingenz, Überdetermination und Ereignishaftigkeit in das Denken des Politischen einbrachten und dazu anregten, kapitalistische Ökonomien vor allem aus der komplexen Perspektive ihrer Reproduktion zu erörtern, die sich über das gesamte gesellschaftliche Territorium erstreckt. Dabei wurde Marx’ dialektische Ineinanderfügung von Ökonomiekritik und Revolutionstheorie, in der die Arbeiterklasse als geschichtliches Subjekt stets an der Stelle zu finden war, zu der die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise hintendierten, in kompliziertere Denkfiguren übersetzt. Unterschiedliche Fäden solch postmarxistischer Debatten aufgreifend, wurden Ansätze diskutiert, die das Verhältnis von Kapital und Lebenszeit, von Ökonomie und Begehren, Wert und Libido neu entwerfen. Dabei konzentrierte sich der Vortrag im Rahmen ausgewählter Stichproben auf neue Werttheorien in (Post-)Strukturalismus, Dekonstruktion und Black Studies. Gegen die sich mehrenden Vorwürfe, dass minoritäre Politiken identitäre Politiken seien, dass Politiken des Begehrens der Logik von Konkurrenz und Kommodifizierung unterlägen, debattierte Katja Diefenbach mit dem Publikum über die Zukunft molekularer Revolutionen, in denen sich kein autonomes Ich oder Wir, das Eigentümer seiner Handlungen und seines Sinns sein will, mehr wird wiedererkennen können und Identifizierung und Kommodifizierung Formen ihres Scheiterns bzw. ihrer Reintegration darstellen. In diesem Sinne ging es um Handlungs- und Denkansätze eines sich fremd gewordenen, zu keinem vorgegebenen Sinn mehr zurückkehrenden, obdachlosen oder Xeno-Marxismus, der probehalber unter dem Namen »molekularer Revolution« diskutiert wurde.
Katja Diefenbach bei ihrem Vortrag im Live-In Lab, Foto: Rainer Schlautmann
Katja Diefenbach bei ihrem Vortrag im Live-In Lab, Video im Auftrag des Instituts für Kunstgeschichte der HHU, Projekt »beuys2021« – Redaktion: Projektbüro »beuys2021« und raumlaborberlin.